Am Kältepol in Werchojanks – Ein halber Hunderter ist doch wie Frühling!

Liebe Lserinnen und Leser,

„Die wollten doch glatt unseren Kindern ab 45 Grad minus schulfrei geben“ ereiferte sich die Werchojanskerin Hydrologin Natascha. Sie hat zusammen mit anderen Eltern und den Lehrern von Werchojansk durchgesetzt, dass es erst ab minus 50 Grad schulfrei gibt, da es ja dauernd 45 Grad und kälter im 8-monatigen Winter ist.

„Dann kämen unsere Kinder gar nicht zum Lernen!“ sagt Natascha. Nun hat man sich auf eine Staffelung geeinigt. Ab -50 Grad für die Kleinen, -58 Grad für die Großen.

Sie sehen, liebe Leser, wir sind mitten im Leben von Werchojansk, eines 2000-Einwohnerdorfes jenseits des Polarkreises. Das am Fluss Jana gelegene Dorf war bis zum Kälterekord in Omjakon, wo man 71,2 Grad unter Null gemessen haben soll, der Kältepol der Nordhalbkugel. Nach wie vor ist sich jeder Werchojankser sicher, dass der wahre Kältepol hier liegt und im Schnitt tiefere Temperaturen herrschen als im südlicheren Oimjakon und dass die Messungen in Oimjakon nicht unbedingt exakt sein können.

Wir sind die 100 Kilometer von Batagai nach Werchojansk in 3 Stunden gefahren, die Straßen waren für nördliche Verhältnisse in hervorragendem Zustand. Die Hälfte der Strecke fuhren wir auf der zugefrorenen Jana, der Fluss, der im letzten Sommer das ganze Dorf überflutet hat.

Wir sind in Werchojansk zu Gast bei einer Jakutisch-Russischen Familie, erholen uns hier von den Strapazen der Eispiste der letzten Tage. Kater Almaz hat nun Narrenfreiheit im Auto, wir haben für zwei Tage einen anderen Schlafplatz gefunden. Die Werchojansker haben uns eine beheizte Jurte zur Verfügung gestellt, so exklusiv haben wir noch nicht genächtigt.

Dies war auch bitter nötig, Holger hat sich eine kräftige Magenverstimmung eingefangen, ist Dauergast auf der Outdoortoilette gewesen, aber der ungewohnte Schlafkomfort mit einem echten Bett hat ihn schnell wieder genesen lassen.

Die Gastfreundschaft der Menschen hier im Hohen Norden kennt keine Grenzen. Wie sie sich für uns engagieren, ist einfach bewundernswert.
Heute haben wir das Fußballtraining der jungen Fußballer von Werchojansk besucht. Wir waren beeindruckt allem: Den jungen Sportlern, der mit 320 Schülern und 61 Lehrkräften und ihren vielen Einrichtungen sehr gut ausgestatteten Schule.

Es gibt eine Dorfdisko, eine Tankstelle, funktionierende Heizwerke, 5 offizielle Läden und noch Handel in fast jedem Haus. Auch hier hat keiner Angst von Dieben, die Häuser werden nicht abgeschlossen.
Wie es mit uns weitergeht? Wir wollen nicht die Strecke zurückfahren, die wir gekommen sind. Diese war für Mensch und Technik einfach knüppelhart. Aber wir haben keine guten Nachrichten aus dem Norden bekommen. Schneewehen und Neueis halten sogar Ural-LKW auf, sie stehen seit zwei Tagen auf dem Eis. Ob wir durchkommen, ist also noch unklar.

Wenn nicht, bliebe uns der eisige Höllenritt zurück auf die Kolymatrasse.

Wie auch immer, auch die nächsten Tage werden kein Spaziergang, die schöne Zeit in Werchojansk wird bald ihr Ende haben.

Drückt wie immer die Daumen, dass wir es gut überstehen.


[inspic=4266,left,,0] Blick auf Werchojansk. Im Talkessel staut sich die Kälte.


[inspic=4270,left,,0] Schule bei 45 Grad unter Null ist nichts besonderes.


[inspic=4268,left,,0] Der Beweis. Holger ist am Kältepol.


[inspic=4269,left,,0] Der Beweis. Kostya ist am Kältepol.
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Liebe Grüße aus dem frühlingshaften* Werchojansk

Kostya und Holger

*”Ein halber Hunderter ist doch wie Frühling“ meinte Pavel heute, als wir über kaltes Wetter sprachen. Heute hatte es sich bis auf -35 Grad erwärmt, inzwischen liegen wir bei -45, also immer noch Frühling…

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